SITZALARM BEI ONLINEMEETINGS

Immer öfter hört Chiara, dass lange Onlinemeetings dafür sorgen, dass stundenlang vorm Bildschirm gesessen wird. Dank Kontaktbeschränkung finden ganze Meeting-Marathons statt, ohne dass sich auch nur einen Millimeter vom Fleck bewegt wird. Doch das ermüdet nicht nur, sondern schadet auch Bewegungsapparat und Stoffwechsel. Wie lässt sich Bewegung in einen von Zoom, Skype, Teams & Co. geprägten Arbeitsalltag integrieren, ohne dass die Arbeit auf der Strecke bleibt?


Spontan fällt mir zunächst ein: Zieht passende Kleidung an! Nach Monaten im Homeoffice hat es sich vielerorts der “Oben Business – unten Schlafanzug/Jogginghose-Style” eingebürgert. Aber das ist natürlich die geringste Herausforderung. Die Kernfrage ist, wie man regelmäßiges Aufstehen oder Bewegung während und zwischen Online-Meetings als Routine etablieren kann. Wichtig für die Akzeptanz ist dabei, dass Arbeitsabläufe durch Steh- und Bewegungsphasen nicht gestört, sondern gefördert werden. Außerdem können solche auflockernden Angebote dazu führen, auch im virtuellen Raum ein Gefühl sozialer Nähe zu erzeugen und eine gute Stimmung im Team zu fördern.

Hierfür haben wir u.a. im Barcamp Rhein-Neckar 2020 (#bcrn20) Ideen für Bewegungsimpulse gesammelt, die sich für Onlinemeetings eignen.

Zu den einfachsten Maßnahmen gehört eine Pausenpolicy, die es ermöglicht, zwischen zwei Meetings kurz aufzustehen, zur Toilette zu gehen oder sich einfach mal zu strecken. Daher sollten Meetings nicht, wie oft üblich, für eine volle Stunde, sondern für 50 Minuten angesetzt werden. Die “verlorenen” Minuten holt man erfahrungsgemäß dadurch wieder rein, dass die Mitarbeiter*innen in der Pause Gelegenheit hatten, eine kurze Bildschirmpause einzulegen, sich zu erholen, auf das nächste Meeting einzustimmen und dort mental präsenter zu sein.

Planung von Bewegungsimpulsen für Onlinemeetings

Bewegung im Onlinemeeting? Das muss vorab kommuniziert werden. Hier ist es sinnvoll, die Vorteile einer bewegten Arbeitsweise zu erwähnen (Wohlbefinden, Vermeidung von Ermüdungserscheinungen/”Energizer”, Innovations-, Team- und Spaßcharakter, Senkung von Gesundheitsrisiken sitzenden Verhaltens).

Zudem sollte diesbezüglich die Webcam-Policy erwähnt werden: In bewegten Formaten wird keine Perfektion vor der Kamera erwartet und beim Durchführen von Bewegungseinheiten kann die Kamera ausgeschaltet werden.

Ebenfalls im Vorfeld kann über Möglichkeiten für improvisierte Steharbeitsplätze informiert werden, sofern die Teilnehmenden nicht bereits über entsprechende Ausstattung wie Sitz-Steh-Pulte und/oder Stehaufsätze verfügen. Als Behelfssteharbeitsplätze eignen sich z.B. eine auf einem Tisch platzierte Getränkekiste, ein Bügelbrett, Sideboards und Regale, auf welchen der Laptop in Stehhöhe genutzt werden kann. Das Einstellen eines virtuellen Hintergrunds kann bei Ortswechseln für die nötige Privatsphäre im Homeoffice sorgen.

Aus der folgenden Auflistung können einzelne, bei längeren Veranstaltungen auch mehrere Bewegungsimpulsideen ausgewählt werden, die für den jeweiligen Kontext passen. Generell sollten die Bewegungsimpulse sich wie ein roter Faden durch Meetings/Veranstaltungen ziehen, ohne dass eine „Überfrachtung“ mit Bewegungsmethoden stattfindet.

Wichtig: Je nach Teilnehmendenstruktur sollten Inklusionsaspekte und ein sensibler Umgang mit Bewegungseinschränkungen mitbedacht und bei der Methodenauswahl und Kommunikation berücksichtigt werden. Die Teilnahme an Steh- und Bewegungsphasen sollte immer freiwillig sein. Sie stellt eine Erweiterung der vorhandenen Wahlmöglichkeiten dar. Denn wo vorher “Sitzzwang” oder zumindest eine wahrgenommene Sitznorm herrschte, kann nun zwischen Sitzen und Stehen/Bewegen gewählt werden.

Bewegungsimpulse fürs Online-Meeting

Bewegungstrigger

Bestimmte Wörter oder Bilder werden zu Veranstaltungsbeginn als Bewegungstrigger definiert, bei dem alle Teilnehmenden aufstehen sollen. Sobald das Wort/Bild auf einer Präsentationsfolie auftaucht, stehen alle auf und strecken sich. Lässt sich sehr gut in Powerpoint-Präsentationen einbauen, z.B. mit dem vorab kommunizierten Vermerk, “Wann immer Sie auf einer der Folien XY sehen, stehen Sie kurz auf”. Das kann auch humorvoll im Hinblick auf eigene Redegewohnheiten der moderierenden Person genutzt werden, z.B. “Wer mich kennt, weiß, dass ich wirklich oft quasi sage. Das nutzen wir jetzt mal und ich bitte euch, aufzustehen, wann immer ich quasi sage.” Alternativ können in die Präsentationsfolien auch direkte Bewegungshinweise (z.B. “Wir stehen auf”, “2 Minuten auf der Stelle gehen”, “Wir strecken uns ausgiebig und kreisen die Schultern”).

Breakoutsessions im Stehen/Hineingehen in die Breakoutsession

Der Wechsel in diese Arbeitsphase wird entsprechend anmoderiert. Die Teilnehmenden sollen aufstehen und sprichwörtlich (auf der Stelle gehend) “in die Session hineingehen”. Dort angekommen, kann nach eigenem Empfinden gestanden oder gesessen werden

Bewegte Mentalreise

Die Gedankenreise kann entweder durch den/die Moderator*in vorbereitet und erzählt werden oder als fortlaufender Erzählimpuls durch die Teilnehmenden selbst gestaltet werden (Person A beginnt mit dem ersten Satz, Person B ergänzt etc.). Hier können z.B. zur Situation passende Wege beschrieben werden, die dann vor der PC-Kamera gemeinsam auf der Stelle “abgelaufen” werden.

Beispiel: “Stellen wir uns einmal vor, wir sind auf dem Weg zum Neubau (auf der Stelle laufen). Es fängt an zu regnen (mit den Fingern Arme von oben nach unten abklopfen). Am Technologiepark steht der Bus, den wir noch erwischen möchten (schnelles auf der Stelle Laufen), aber er fährt uns direkt vor der Nase weg (Arme ausschütteln). Naja, dann laufen wir halt weiter (gehen). Am Neubau angekommen ist der Fahrstuhl ausgefallen. Wir nehmen die Treppe, gehen in den dritten Stock (Treppensteigen auf der Stelle) und kommen gerade noch pünktlich an. Erleichtert atmen wir tief durch (tiefes Atmen in den Bauch) und strecken uns einmal. Dann lassen wir uns angenehm aufgewärmt auf unseren Stuhl sinken”.

Die Bewegungsgeschichte erfordert einerseits gute Vorbereitung, bietet jedoch andererseits die Möglichkeit, Inhalte zu transportieren oder zu wiederholen, ein gemeinsames Erlebnis zu schaffen, die Phantasie anzuregen und eine Identifikation mit dem jeweiligen Kontext zu fördern.

Ich-packe-meinen-Koffer-Tanz

Musik abspielen. Die erste Person beginnt mit einer Tanzbewegung und nominiert eine andere Person. Diese muss zunächst die Bewegung von Person 1 wiederholen und anschließend eine eigene hinzufügen. Danach wird Person 3 nominiert usw., bis eine längere Bewegungsabfolge entstanden ist.

Stand-Up-Phase

Bei bestimmten inhaltlichen Tagesordnungspunkten/Lehrveranstaltungsphasen etc. kann eine Stehphase eingebaut und als Routine etabliert werden. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn mehrere Personen hintereinander kurz ein Ergebnis, Projektfortschritt, Erkenntnis, etc. präsentieren sollen.

Walking Meeting

Telefonate und 1:1-Videotalks können mit dem Smartphone im Gehen abgehalten werden. Eine Vorankündigung sollte unbedingt den Verweis auf eine geeignete (sicher, wenig Verkehr, wenig Lärm) Gehstrecke beinhalten. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt es sich, die Übertragung nur auf einem Ohr zu hören, damit Umgebungsgeräusche noch wahrgenommen werden können.

Pausenreminder

Für Meetings sollten kurze Besprechungs-/Arbeitsintervalle eingeplant werden. Zwischen den einzelnen inhaltlichen Abschnitten kann eine Steh-/Bewegungsphase erfolgen. Hierfür eignet sich auch der Einsatz eines Timers. Dieser kann alle 30 Minuten an eine Sitzunterbrechung erinnern.

Stehbeauftragte*r

Zu Beginn des Meetings/der Veranstaltung wird kurz erläutert, dass lang andauerndes Sitzen ermüdet und gesundheitsriskant ist. Demzufolge bittet die moderierende Person um ein bis zwei Freiwillige, die die Rolle der Steh-/Bewegungsbeauftragten übernehmen und die regelmäßig ein Signal zum Aufstehen geben, die Einhaltung der Pausenzeiten überwachen etc.

Feuer Wasser Sturm

Dieses aus der Kindheit vertraute Spiel kann über den öffentlichen Chat angeleitet werden. Die Teilnehmenden erhalten den Hinweis, bei “Feuer” aufzustehen und sich kurz links vom Rechner zu positionieren, bei “Sturm” aufzustehen und sich kurz rechts vom Rechner zu positionieren und bei “Wasser” unterhalb der Kamera abzutauchen. Das Kommando kann als Symbol/Emoji oder als Wort über den Chat geschickt werden.

Strike-a-Pose-Teamfoto

Die Teilnehmenden gehen auf der Stelle, dies kann musikalisch unterlegt werden. Wenn die Musik stoppt oder ein Signal ertönt, nimmt jede*r Teilnehmer*in eine Pose ein. Der/die Moderator*in kann davon einen Screenshot machen, der den Teilnehmenden im Nachgang als witzige Erinnerung an die Veranstaltung zugeschickt werden kann.

Achtung: Vor der Durchführung eines Screenshots muss die Einverständnis der Teilnehmenden eingeholt werden und die Möglichkeit eingeräumt werden, nicht mit im Bild zu sein (z.B. durch Ausschalten der Kamera). Ebenfalls muss das Einverständnis der Teilnehmenden erfragt werden, ob sie ein anschließendes Versenden des Screenshots an die Gruppe genehmigen.

Strike-a-Pose-Teamfoto

Unter www.wheeldecide.com kann individuell ein Glücksrad angelegt werden, in das Bewegungsübungen integriert werden. Der/die Moderator*in kann zu bestimmten Zeitpunkten via Screensharing das Rad drehen und dann führen alle gemeinsam die angezeigte Übung durch. Alternativ können z.B. auch besonders gute Wortbeiträge damit belohnt werden, am Glücksrad drehen zu dürfen oder die Bewegungsbeauftragten kümmern sich um einen regelmäßigen Einsatz des Glücksrades.

Standing Ovations

Eine einfache Methode, um Anerkennung mit Bewegung zu verbinden. Hier kündigt die moderierende Person an, dass jede Präsentation von den Teilnehmenden mit Standing Ovations belohnt wird.

Arbeitsfähig werden

Der Moderator/die Moderatorin erfragt die Teammitglieder nach deren aktueller Stimmung. Dabei soll das aktuelle Befinden durch eine Geste/Körperhaltung ausgedrückt und ggf. kurz (!) kommentiert werden.

Farbenspiel “Touch Blue” und “Online-Fitness-Check”

Die unter den Links beschriebenen Methoden von Caspar Siebel findet man hier charmant beschrieben und illustriert:

Was sehe ich, wenn ich aus dem Fenster schaue

Eignet sich zum Check-In. Die Teilnehmenden können den Blick aus ihrem Fenster per Webcam zeigen (mit Laptop aufstehen und hingehen). Zur Vermeidung von Stolperfallen sollte vorher das Ladekabel entfernt werden.

Moving while Listening

Informationsmeetings, bei denen man als Teilnehmende*r nur aufmerksam zuhören und sich gelegentlich Notizen machen muss, können mit ausgeschaltetem Bildschirm verfolgt und mit Bewegung kombiniert werden (z.B. Umhergehen, ein paar Kniebeugen, Dehnübungen…).

Walk, Listen & Learn

Inputs für das Team können auch aufgezeichnet und als Podcast zur Verfügung gestellt werden. Dieser kann z.B. im Rahmen eines Spaziergangs angehört werden. Vorteil: Der Podcast kann zu einem individuell geeigneten Zeitpunkt angehört und beliebig oft abgespielt werden. Für das Anhören des Podcasts kann eine Frist gesetzt werden (bitte anhören bis…  Inhalte/Fragen zu den Inhalten werden gemeinsam besprochen am …).

Frische Luft, frische Ideen

Wenn es in im eigenen Büro oder Homeoffice allmählich stickig wird, wird es dem restlichen Team vermutlich ähnlich gehen. Eine Aufforderung zum “gemeinsamen” kurzen Stoßlüften sorgt für einen Bewegungsimpuls und frische Luft.



Habt ihr weitere Ideen für Bewegungsimpulse? Schreibt sie in die Kommentare!

Chiara Dold

Chiara bringt Bewegung ins Büro: Sie entwickelt ein webbasiertes Toolkit, das Unternehmen dabei unterstützt, leichte körperliche Aktivität in den Arbeitsalltag zu integrieren. Zu Chiaras Projektseite und dem Projekt Kopfstehen